Massentierhaltung in der Po-Ebene
Aktualisiert: 19. Apr. 2022

Der, abgesehen von der Schweiz, weltweit zunehmende Fleischkonsum wird hauptsächlich durch eine industrielle Tierproduktion in Massentierhaltung und ohne Berücksichtung des Tierwohles befriedigt. Die EU (Regionen mit intensiver Tierproduktion sind etwa Nordwest-Deutschland, NL, B, DK, Bretagne und Po-Ebene) und die USA, mittlerweile aber auch Brasilien und andere Staaten, forcieren den Fleisch-Export, insbesondere Schweinefleisch und zunehmend Poulets, da deren Verzehr weltweit auf keine religiösen Vorbehalte trifft.
Diese Tiermast wird von Agrarkonzernen dominiert. Tierschutz, Ökologie und Klimaprobleme spielen dabei keine Rolle. Ziel ist einzig das Erzeugen von möglichst viel und billigem Fleisch. Die Länder werden in der Nahrungsmittelversorgung immer abhängiger von den Agrarkonzernen und den Märkten. Dies umso mehr, weil der Nahrungsmittelbedarf weiter ansteigt, die verfügbare Fläche an landwirtschaftlich nutzbarem Land durch falsche und rein auf Kunstdünger basierende Bewirtschaftung aber eher zurückgeht.
Schweinefleisch ist das am meisten konsumierte Fleisch weltweit. Dabei zählt das Schwein zu den intelligentesten Tieren. Dennoch bleibt das Leben und Sterben der Mastschweine in der Massentierhaltung für die Konsumentinnen und Konsumenten unsichtbar.
Innerhalb von 6 Monaten werden die Tiere auf ein „Schlachtgewicht“ von 110 bis 125 kg gemästet.14 15 Die schnelle Gewichtszunahme wird durch massive Einschränkung der Bewegungsmöglichkeit, die Fütterung mit energiereichem Kraftfutter und gezielter Zucht auf Hochleistungswachstum zum Nachteil der Tiere erreicht. Ein Schwein muss sein Leben in der Massentierhaltung auf einer Fläche von 0,75 bis maximal 1 m² verbringen.16 Das ist kaum genug, um sich umzudrehen oder hinzulegen. Die Tiere werden auf sogenannten Vollspaltenböden gehalten, das heißt Betonböden mit Spalten als Durchlass für Kot und Urin. Als Futter kommt hauptsächlich Sojaschrot zum Einsatz. Dabei landen 75 % der globalen Sojaernte in den Futtertrögen sogenannter Nutztiere. Die Sojabohnen werden überwiegend in den USA, Brasilien und Argentinien angebaut.17 Auf etwa 80 % aller Sojaanbauflächen wächst gentechnisch verändertes Soja.18 In der Biohaltung stehen Schweinen 1,3 m² Innenfläche und 1 m² Außenfläche zur Verfügung (meist mit wenig Stroh auf hartem Betonuntergrund).19 Verglichen mit einer natürlichen Umgebung bietet die Massentierhaltung wenige äußere Reize für die Mastschweine. Durch den Reizentzug leiden Schweine unter diesen Haltungsbedingungen oft an so viel Stress, dass sie zu gegenseitigem Kannibalismus getrieben werden.
Zucht der Mastschweine
Während der Besamungsphase werden die Sauen für mindestens einen Monat einzeln in sogenannten Kastenständen gehalten, die kaum größer als die Sau selbst sind. Danach kommen sie zurück in die Gruppe, können jedoch aufgrund von Ausnahmeregelungen auch weiter in Einzelhaltung bleiben.
Eine Woche vor der Geburt der Ferkel (Abferkelung) werden die Mütter in die sogenannte Abferkelbucht verlegt. Auch in diesem Metallkäfig können sich die Tiere nicht umdrehen. Direkt neben der Mutter werden ihre bis zu 13 Ferkel so gehalten, dass sie gerade die Zitzen erreichen, um gesäugt zu werden. In dieser meist einstreulosen Abferkelbucht verbringen sie rund 4 Wochen. Nach Wegnahme der Ferkel muss die Mutter sofort in den Kastenstand zurück, wo sie bereits nach etwa 5 Tagen wieder besamt wird.20
Gängige Eingriffe direkt nach der Geburt
In den ersten Tagen ihres Lebens müssen die Ferkel umfassende Eingriffe über sich ergehen lassen – oftmals ohne Betäubung und Schmerzmittelgabe. Zu den schmerzhaften Standardprozeduren zählen die Kastration, das Kürzen der Schwänze und das Abschleifen der Eckzähne. All diese Eingriffe sind nur aufgrund der unnatürlichen und stark einschränkenden Haltungsbedingungen „notwendig“.
Laut einer EU-Richtlinie, die Mindestanforderungen für den Schutz von Mastschweinen festlegt, sind diese Eingriffe eigentlich verboten. Darf ein Kupieren der Schwänze oder Abschleifen der Eckzähne nicht routinemäßig vorgenommen werden.26 27 Allerdings kann in den meisten Fällen eine Ausnahmegenehmigung erzielt werden. So gehen Schätzungen davon aus, dass 99 % aller Ferkel aus konventioneller Haltung kupierte Schwänze haben.28
Quellen
↑1 Leaper R, G. Massei, M. L. Gorman & R. Aspinall (1999): The feasibility of reintroducing wild boar (Sus scrofa) to Scotland. Mammal Review 29(4):239-59. http://www.blackwellpublishing.com/specialarticles/mam1_xx.pdf [14.06.2018].
↑2 DLG e.V. (2015): DLG-Merkblatt 408 – Gruppenbildung von Sauen. Verfügbar unter: http://2015.dlg.org/fileadmin/downloads/merkblaetter/dlg-merkblatt_408.pdf[03.08.2017]
↑3 Hoy, S. (2009): Nutztierethologie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
↑4 Animal diversity Web: Sus Scrofa – Wild Boar. Verfügbar unter: http://animaldiversity.org/accounts/Sus_scrofa/#food_habits [13.03.2017]
↑5 Marino L. & C. M. Colvin. Thinking Pigs: Cognition, Emotion, and Personality – An Exploration of the Cognitive Complexity of Sus Domesticus, the Domestic Pig. The Someone Project. Verfügbar unter: http://www.farmsanctuary.org/wp-content/uploads/2016/08/TSP_PIGS_WhitePaper.pdf [16.03.2017]
↑6, ↑8 Marino, L. & C. M. Colvin (2015): Thinking Pigs: A Comparative Review of Cognition, Emotion, and Personality in. International Journal of Comparative Psychology 28, no. 1 (January 1, 2015). http://escholarship.org/uc/item/8sx4s79c [14.06.2018].
↑7 Broom, Donald M., Hilana Sena, and Kiera L. Moynihan. “Pigs Learn What a Mirror Image Represents and Use It to Obtain Information.” Animal Behaviour 78, no. 5 (November 2009): 1037–41. doi:10.1016/j.anbehav.2009.07.027.
↑9 Marino L. & C. M. Colvin. Thinking Pigs: Cognition, Emotion, and Personality – An Exploration of the Cognitive Complexity of Sus Domesticus, the Domestic Pig. The Someone Project. Verfügbar unter: http://www.farmsanctuary.org/wp-content/uploads/2016/08/TSP_PIGS_WhitePaper.pdf [14.06.2018].
↑10, ↑12 Report of the Scientific Veterinary Committee (1997): The Welfare of Intensively Kept Pigs. European Commission. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/animals/docs/aw_arch_1997_intensively_kept_pigs_en.pdf [13.03.2017]
↑11 Gundlach, H. (1968) Brutfürsorge, Brutpflege, Verhaltensontogenese und Tagesperiodik beim Europäischen Wildschwein ( Sus Scrofa, L.). Z Tierpsychol 25: 955-995.
↑13 Statistisches Bundesamt (2017): Tiere und tierische Erzeugung – Betriebe mit Schweinen und Schweinebestand für November 2016 und Mai 2017. Verfügbar unter:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaftFischerei/TiereundtierischeErzeugung/Tabellen/BetriebeSchweineBestand.html [03.08.2017]
↑14 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Wann ist ein Schwein schlachtreif? Verfügbar unter: https://www.ble.de/DE/BZL/Kennen-Sie-Landwirtschaft/Tier-Stall/Schwein-Schlachtreif.html?nn=9123528
↑15 Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Optimales Mastendgewicht bei Schweinen – Biologische Leistungen. Verfügbar unter: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ite/dateien/36201_optimale_mastendgewicht.pdf [14.06.2018].
↑16, ↑22 Council Directive 2008/120/EC of 18 December 2008 laying down minimum standards for the protection of pigs
↑17 Brack, D., A. Glover & L. Wellesley (2016): Agricultural Commodity Supply Chains Trade, Consumption and Deforestation. Chatham House, London
↑18 ISAAA (2016): Global Status of Commercialized Biotech/ GM Crops: 2016. Verfügbar unter: http://www.isaaa.org/resources/publications/briefs/52/download/isaaa-brief-52-2016.pdf [14.06.2018].
↑19 BMEL (2014): Schweine. Verfügbar unter: https://www.bmel.de/DE/Tier/Nutztierhaltung/Schweine/schweine_node.html;jsessionid=F283B425874396AD40FC2F107D69AD81.2_cid367 [14.06.2018].
↑20 Weiß, J. W., W. Pabst (Hrsg.) (2011): Tierproduktion. Stuttgart. 14. Auflage
↑21 [12] European Commission. Alternatives to pig castration. Verfügbar unter: http://ec.europa.eu/food/animals/welfare/practice/farm/pigs/castration_alternatives_en [13.03.2017]
↑23 Simonsen, H.B., L. Klinken, and E. Bindseil. “Histopathology of Intact and Docked Pigtails.” British Veterinary Journal 147, no. 5 (September 1991): 407–12. doi:10.1016/0007-1935(91)90082-X.
↑24, ↑25 TierSchG §5: Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 141 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist
↑26 TierSchG §§5 – 6: Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 141 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist
↑27 RICHTLINIE 2008/120/EG DES RATES vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen
↑28 Nordwest Zeitung (2016): Warum Bauern ihren Ferkeln den Schwanz abschneiden. Verfügbar unter: https://www.nwzonline.de/wirtschaft/weser-ems/ringen-um-den-ringelschwanz_a_6,1,1156849631.html [14.06.2018].
↑29 Statistisches Bundesamt (2017): Geschlachtete Tiere, Schlachtmenge: Deutschland, Jahre,
Tierarten, Schlachtungsart. Verfügbar unter: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online;jsessionid=8C7109AD3AF03A10CCC9CB95573EFBD7.tomcat_GO_2_3?operation=previous&levelindex=2&levelid=1491921472830&step=2 [19.05.2017]
↑30 Spiegel Online (2012): Regierung rügt Tierquälerei in Schlachthöfen. Verfügbar unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/schlachthoefe-arbeiten-mit-hoher-fehlerquote-tiere-leiden-unnoetig-a-840156.html [13.03.2017]
↑31 Deutscher Bundestag (2012): Drucksache 17/10021. Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren. Verfügbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/100/1710021.pdf [14.06.2018].
↑32 BLE & BZL (2017): Versorgung mit Fleisch in Deutschland im Kalenderjahr 2016 (vorläufig). Verfügbar unter: https://www.ble.de/DE/BZL/Daten-Berichte/Fleisch/fleisch_node.html [05.02.2018].
↑33 Sinha R, Cross AJ, Graubard BI, Leitzmann MF, Schatzkin A (2009): Meat intake and mortality: a prospective study of over half a million people. Arch Intern Med 169 (6), 562-71
Italien In Italien befinden sich die meisten Massentierhaltungsbetriebe in der Po-Ebene. Besonders viele Schweine werden in der Lombardei gehalten. Hier leben mehr als die Hälfte aller Schweine des Landes.61 In dieser Region – genauer gesagt in den Schweinehochburgen Cremona, Mantova und Brescia – nahm Greenpeace drei Wasserproben. In den italienischen Proben wurden insgesamt zwölf verschiedene Tierarzneimittel nachgewiesen. Die beiden Kanalproben enthielten drei bzw. sechs Medikamente; in der Flussprobe wurden elf Tierarzneimittel nachgewiesen – dies ist die höchste Anzahl an Tierarzneimitteln, die Greenpeace bei diesen Untersuchungen in einer einzigen Probe nachweisen konnte (siehe dazu auch Infokasten weiter unten). Bei acht der nachgewiesenen Tierarzneimittel handelte es sich um Antibiotika. Drei Tierarzneimittel konnten in allen drei Proben nachgewiesen werden; bei allen dreien handelte es sich um Antbiotika. In jeder italienischen Probe konnten zwischen 17 und 23 Pestizide nachgewiesen werden. Insgesamt fand Greenpeace 30 verschiedene Pestizide; neun davon sind mittlerweile in der EU verboten. Bei allen drei Proben lag der Nitratwert über der Konzentration, die aus wissenschaftlicher Sicht für den ausreichenden Schutz der empfindlichsten Fischen, Amphibien und wirbellosen Wassertiere erforderlich ist (unter 9 mg Nitrat pro Liter).62 Bei der Probe, die dem Fluss Roggia Savarona entnommen worden war, erreichte der Nitratgehalt 66 Prozent des EU-Grenzwerts (50 mg Nitrat pro Liter).63 In zwei Proben überschritt der ermittelte Nitritgehalt zudem den EU-Schwellenwert für den „guten ökologischen Zustand“.64
61 Von den insgesamt 8.375.523 Schweinen, die im Jahr 2016 in Italien geboren und gemästet wurden, stammten 4.391.075 Tiere aus der Lombardei. Istat (2016); https://www.istat.it/en/archive/200600
62 Camargo, J. A.; Alonso, A.; Salamanca, A. (2005). Nitrate toxicity to aquatic animals: A review with new data for freshwater invertebrates. Chemosphere, 58(9): 1255–1267; https://doi.org/10.1016/j.chemosphere.2004.10.044
63 EWG (1991). Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. Amtsblatt der Europäischen Union, L 375 (31.12.1991): 1–8
64 EG (2000). Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie). Amtsblatt der Europäischen Union, L 327(22.12.2000): 1–82; https://doi.org/10.1039/ap9842100196